– Von Friedrich Bräuninger –
Die wirklich wichtigen Dinge eines Wettkampfs spielen sich manchmal nicht bei der Siegerehrung, sondern eher am Rande des Geschehens ab. Ende August 2014: Bei ihrem 1. Internationalen Behinderten-Golfturnier in Maria Bildhausen hatten sich die Gastgeber vom Bayerischen Golfverband (BGV) und der HypoVereinsbank (HVB) noch kurz vor dem Start entschlossen, die Aschheimer Trainerin Elizabeth Höh zu engagieren und auf der Übungswiese einen Schnupperkurs für all diejenigen anzubieten, die mit diesem Sport noch etwas fremdeln und es nun genauer wissen wollten.
Extra deswegen war die Familie Jäger mit ihren drei Kindern aus Bad Brückenau angereist. Maxi (14), der Älteste, sollte den Reiz des Spiels mit Schläger und Ball einmal erleben und dann entscheiden, ob er sich neben dem Ski- und Kanufahren noch eine dritte Säule seines jungen Sportlerlebens vorstellen könnte. Er holte aus, schwang durch und beförderte – unter feinfühliger Anleitung der Trainerin – schon bei dieser Premiere die Bälle auf Höhenflug. Der Newcomer („Cool, das macht ja richtig Laune“) hatte sich mit dem berühmten Golfvirus infiziert und wollte mit den Übungen auch am nächsten Tag gar nicht mehr aufhören.
Was diese Kurzgeschichte so berichtenswert macht: Maximillian Jäger ist durch einen vorgeburtlichen Schlaganfall seit dem ersten Tag seines Lebens halbseitig gelähmt. Seine komplette linke Körperhälfte funktioniert faktisch nicht. Aber sein Faible für den Sport gibt ihm wohl die Kraft, die Dinge des Alltags mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein, mit viel Energie und Cleverness zu meistern. „Mein großes Ziel sind die paralympischen Winterspiele 2018 in Korea, wo ich in den Disziplinen Slalom und Riesenslalom eine Medaille gewinnen will“, gibt der Youngster zu Protokoll. Und was ist mit der neu entdeckten Sportart?
Bis Golf ins paralypische Programm aufgenommen wird, dürften noch ein paar Jahre vergehen. Zu uneinig sind sich bis dato die internationalen Verbände über die Festlegung der Behinderten-Klassen und der Spiel-Modalitäten. Dabei zeigten gerade die 1. HVB Internationalen Bayerischen Meisterschaften für Golferinnen/Golfer mit gesundheitlichem Handicap, wie entspannt und zugleich spannend ein solches zweitägiges Turnier – eine Premiere wie bei Maxi – verlaufen kann.
Was mit Golf möglich ist, demonstrierte beispielsweise der in Paris lebende Spieler Manuel de Los Santos, der bei einem Motorrad-Unfall sein linkes Bein verloren hatte und sich konsequent mit Krücken zum jeweils nächsten Schlag auf einem mehrere Kilometer langen Platz fortbewegt. Mit 61 Bruttopunkten gewann er mit weitem Abstand die Wertung in seiner Klasse und würde ohne weiteres bei so manchem Profi-Turnier vorne landen. Oder zum Beispiel Konrad Czoppik aus Landau an der Isar. In reifem Alter und erst nach Eintritt der Behinderung hatte er mit dem Golfspielen aus medizisch-therapeutischen Gründen begonnen. Heute liegt sein Vorgabewert bei 14, einem Handicap, vom dem die meisten „normalen“ Golfer nur träumen können. Oder der aus Bern angereiste Schweizer Heinz Schönemann. Er fährt in einem speziellen Golf- Rollstuhl, kann nur den rechten Art hinreichend bewegen und trifft dennoch den kleinen weißen Ball mit einer Präzision, die seinen zwei Mitspielern immer wieder ein anerkennendes „Super“ entlockt.
Insgesamt spielten in Maria Bildhausen 46 behinderte Golferinnen und Golfer aus neun Ländern. Ein GdB (Grad der Behinderung) von 50 Prozent galt als Mindestvoraussetzung für die Teilnahme. In der fränkischen Rhön wurde gewissermaßen auch eine Blaupause geliefert, wie Inklusions-Turniere in den über 180 bayerischen Golfclubs funktionieren können. Emilia Müller, zuständige bayerische Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration im Kabinett von Horst Seehofer, brachte es in ihrem Grußwort auf den Punkt. Ein solches Turnier leiste einen „unschätzbaren Beitrag dafür, dass Behinderung als ein Teil der Vielfalt menschlichen Lebens wahrgenommen wird.“ Dies helfe den Betroffenen, Vertrauen in die eigenen Stärken zu gewinnen, gebe ihnen Motivation, Kraft und Energie und fördere das Gefühl von Zugehörigkeit und gleichberechtigter Teilhabe.
Eine gute Übersetzung des Fachbegriffs „Inklusion“, der die Golfclubs und ihre Manager in den kommenden Jahren zu Spitzenleistungen á la Maria Bildhausen herausfordern dürfte.
Die Sieger in ihren Behinderten-Klassen
Golfspieler mit Behinderung am Bein
1. de Los Santos, Manuel, Grand Club (Fr) 61
2. Horsley, Mick Marriot, Breadsall (GB) 48
3. Pegau, Katharina, München Valley 44
Golfspieler mit Behinderung am Arm
1. Schels, Wolfgang, GC Schloss Maxlrain 19
2. Schmedding, Martin, GC Sellinghausen 17
3. Mause, Hans Peter, GC Gut Neuenhof 10
Golfspieler im Rollstuhl
1. Maspfuhl, Jens, GC Friedberg/H. 14
2. Nachtwey, Christian, Rothenberger GC 12
3. Bucher, Urs, Rastenmoos (CH) 10
mit Beeinträchtigung des Golfschwungs
1. Haustein, Peter, Hetzenhof, GC 29
2. Ahrens, Wilfried, Bad Arolsen, G&LC 26
3. Prouza, Tomas, NovaAmerika CountryClub 25
ohne Beeinträchtigung des Golfschwungs
1. Süli, Andreas, GR Augsburg 46
2. Hartung, Robert, GC Pottenstein 35
3. Stürmer, Roland, GC Lilienthal 26
Weitere Infos im Internet
Die Plattform des Behinderten Golf Clubs Deutschland e.V. (BGC) bietet viel für Golfer mit gesundheitlichem Handicap und solche, die sich für diesen Sport und seine therapeutischen Möglichkeiten interessieren. Der BGC hat nicht nur zwei Dutzend Behinderten-affine Partnerclubs ausgewählt, sondern veranstaltet viele Integrationsturniere, bei denen die Kontakte zwischen behinderten und nicht behinderten Golfern aufgebaut bzw. intensiviert werden. Kooperiert eng mit dem Deutschen Golf Verband (DGV).
Breit angelegtes Ausbildungs-Portal für Physiotherapeuten, Masseure, Ärzte, Sportwissenschaftler und vor allem auch Golflehrer, die ihre Qualifikationen gezielt ausbauen wollen. Denn gesundheitlich behinderte Golfspieler brauchen ganz spezielle Trainings und eine Betreuung, die in Abstimmung mit den Ärzten auf individuelle Anforderungen und Besonderheiten im Bewegungsablauf einzugehen weiß.
An der Universität Paderborn spielen der Golfsport und seine therapeutischen Möglichkeiten eine ganz zentrale Rolle. Auf den Plätzen im Haxterpark läßt der Universitäts-Golfclub Paderborn die sportwissenschaftlichen Erkenntnisse in die Spielpraxis einfließen und sorgt so ständig für neue Impulse. Gerade in puncto Schlaganfall & Golf gelten die Westfalen deutschlandweit als führend.